Es ist endlich soweit! Die komplett überarbeitete Neuauflage meines Urzeit-Thrillers Die Weißen Steine ist ab sofort bei Amazon erhältlich! Mit Band II kommt die erste Fortsetzung über den Überlebenskampf der 10b in der Welt der Kreidezeit.
Es geht endlich weiter in der Welt von Hell Creek: Beim neuen Verlag EK-2 Publishing gehen Die Weißen Steine nun in die nächste Runde. Jetzt ist auch Band II in ganz neuem Design, und auch inhaltlich komplett neu überarbeitet erhältlich. Die Geschichte ist natürlich dieselbe geblieben wie in „Neue Alte Welt“, aber an vielen Stellen wurde sie um einige prähistorische Details und neue wissenschaftliche Erkenntnisse bereichert. Dort, wo es in der Erstauflage noch Fehler gab, haben wir sie bereinigt (wer jetzt noch was findet, darf aber trotzdem gern Bescheid sagen!). Und die Illustrationen erstrahlen in völlig neuem Glanz, ganz zu schweigen von dem atemberaubenden neuen Cover!
Inhaltsangabe von „Die Weißen Steine – Band II“
Der zweite Band setzt die spannende Handlung von Die Weißen Steine direkt fort. Was Frau Lehmann berichtet, klingt unglaublich: Dinosaurier sollen den zerstörten Bus angegriffen haben? Für Heinrich klingt diese Geschichte wie eine Wahnvorstellung. Doch Tatsache ist: ihre Mitschüler sind weg! Und die Geräusche eines rieisgen, schaurigen Tieres hallen aus der Ferne durch die Abenddämmerung. Da der Bus nun völlig zerstört und offenbar keine sichere Zuflucht mehr ist, nehmen Leon, Wasi und Heinrich ihre schwerverletzte Lehrerin in Obhut und machen sich erneut auf den Weg in die Wildnis, um einen neuen Unterschlupf zu finden. Eine ermüdende Odyssee beginnt, bei der sie die Hoffnung, den Rest ihrer Klasse wiederzufinden, trotzdem niemals aufgeben.
Die Klasse wurde nach dem Angriff der Tyrannosaurier jedoch in verschiedene Richtungen versprengt. Jan-Lukas ist tot, sechs weitere Mitschüler und Frau Lehmann werden vermisst, und auch von Melissa und ihrem kleinen Sohn fehlt jede Spur. Die anderen haben sich in die Nähe eines großen Sees geflüchtet. Doch vermag es auch nicht der redegewandte Herr Arnold, seine völlig verängstigten Schüler zu beruhigen. Wie sollen sie in der prähistorischen Wildnis, wo der Tod und unzählige Monster hinter jeder Ecke lauern, überleben? Was sollen sie nun tun? Der einzige, der in dieser Situation kühl und besonnen bleiben kann, ist Moritz. Doch wie soll er als Außenseiter seine Klasse wieder zur vernunft bringen? Insbesondere diejenigen, die von Disziplin und Zusammenhalt, die man hier unbedingt braucht, schon vor ihrer Entrückung in die Kreidezeit nicht allzuviel gehalten haben?
Der gnadenlose Überlebenskampf beginnt…
Was keiner der noch lebenden Schüler weiß: mit ihnen hat es auch John, einen für das Chronosphäre-Projekt verantwortlichen Soldaten in die Urzeit verschlagen. Völlig auf sich allein gestellt macht er sich daran, das Leben in der Wildnis zu meistern. Es verlangt ihm zwar übermenschlich erscheinende Anstrengungen, Krankheit, Hunger und Elend ab, aber aufzugeben ist keine Alternative. Der schlimmste Feind ist jedoch keines der vielen Urzeitwesen, sondern die Einsamkeit. John befürchtet bereits, mehr und mehr den Verstand zu verlieren. Doch dann findet er unerwartet doch einen Gefährten…
Wie hart der Kampf gegen den Hunger sein kann, erfahren auch die Schüler der 10b auf immer kräftezehrendere Weise. Sie finden Unterschlupf in einer Höhle nahe beim See. Das urzeiliche Paradies machen sie sich allerdings selbst mehr und mehr zur Hölle. Konflikte, die sie noch aus ihrer „alten“ Welt mitgebracht haben, eskalieren. Mobbing und Ausgrenzung fordern schließlich ihren Tribut, der bald ein weiteres Menschenleben kosten wird…
Im Buch auftretende Tiere:
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Neu:Bereits in Band I: |
Hier nun eine Leseprobe zu Band I:
Rettung
[…]
Die letzten Tage hatte John damit verbracht, sich in der Höhle häuslich einzurichten. Das wichtigste Unterfangen begann er direkt nach dem Madenfrühstück: ein Bett. Es war nicht nur Frage des Komforts, sondern des Überlebens. Der Höhlenboden war kalt und hart, und tat seinem ohnehin schon geschundenen Rücken keinen Gefallen. Mit seinem Beil schlug er Zweige von einem nahegelegenen Baum ab. Er platzierte die dickeren als Basis und flocht die biegsamen, dünnen Zweige eines biegsamen Strauches darüber, um eine Art Gitter zu schaffen. Seine Hände waren nach kurzer Zeit voller Harz, doch er machte unbeirrt weiter. Das Grundgestell nahm schließlich immer mehr Form an. Es fehlte nur noch eine Matratze, die die harten Zweige abpolstern konnte.
John durchstreifte das Unterholz und fand schließlich ein paar umgestürzte Bäume, deren Oberfläche wie von einem lebenden Teppich aus Moos bedeckt war. Er riss sie vorsichtig ab und legte sie zum Trocknen auf die sonnenwarmen Felsen, damit die feuchten Wurzeln ihm nicht das ganze Konstrukt durchnässten. Erst am Abend ordnete er sie in dicken Schichten auf dem Gerüst an, bis sie eine halbwegs weiche Liegefläche bildeten. Als er endlich fertig war, betrachtete er sein Werk. Es war einfach und primitiv, aber in dieser Welt erschien ihm dieses Bett wie ein kleines Wunder. Ein zufriedenes Lächeln huschte über sein Gesicht. Mit einem letzten Blick auf den inzwischen sternenklaren Himmel ließ er sich zurücksinken, und für die erste Nacht seit seiner Ankunft in der Kreidezeit fühlte er sich nicht mehr wie ein Eindringling, sondern wie ein Teil dieser uralten Welt.
In den nächsten Tagen zimmerte John sich einen Hocker und stellte noch ein paar weitere Töpfe und Krüge her. Die ersten beiden waren schon nach wenigen Tagen geplatzt. Auch ein kleiner und ein etwas größerer Korb befanden sich nun in seinem Besitz. John hatte sie aus den biegsamen Ästen eines Strauches geflochten. Außerdem arbeitete er an einem Boot, das er aus dem Stamm einer Mangrove herausschlug. Er wusste zwar nicht, wozu er in dieser Gegend, die ihm mittlerweile alles Lebensnotwendige bot und in der er immer wieder neue Schätze entdeckte, überhaupt ein Boot brauchte, aber es konnte ja nicht schaden, eines zu haben und doch ein bisschen mobiler zu sein. Doch nur den Baum zu fällen hatte schon fast einen ganzen Tag gedauert und John einiges an Kraft abverlangt.
Auf der Suche nach Nahrung und Ressourcen hatte er die Gegend weitläufig erkundet, und auch sein Ernährungsplan hatte sich dadurch stark erweitert: John wusste nun, dass die Blütenstände einiger Pflanzen essbar und vor allem wohlschmeckend würzig und scharf waren, wenn man sie kochte. Er hatte einige energiereiche, aber recht bittere Wurzelknollen entdeckt, einen neuen Feigenbaum gefunden und die Nester von Schildkröten aufgestöbert, deren Eier er sich nun gern zum Frühstück schmecken ließ.
Auch seine Schuhe hatte er wieder reparieren können, indem er den oberen Teil des Schuhs mit dem Faustkeil abtrennte und die Sohle mit Seilriemen zu Sandalen verband. Diese trug er aber immer mit den zerfetzten Resten seiner Socken., damit es nicht scheuerte. Wieder festes Schuhwerk zu haben, erschien John als eine seiner wichtigsten Errungenschaften. Das Fieber und der Durchfall waren endlich abgeklungen, die Wunden seines beschwerlichen Marsches verheilten, und weil John nun endlich genug zu essen hatte, kehrte auch die Kraft in seine Glieder zurück.
Besonders stolz war John auf seinen Bogen, den er aus dem biegsamen Holz eines jungen Baumes mit dickblättrigen, weichen Nadeln hergestellt hatte. Die Sehne bestand aus dünnen Bastfasern, die Pfeile hatte er aus den Ästen des gleichen Busches geschnitzt, aus dem er die Körbe und sein Bettgestell geflochten hatte. Sie trugen Spitzen aus übriggebliebenen Splittern seines Feuersteins, die aber nicht so recht hielten. John war außerdem ein miserabler Bogenschütze, dessen Pfeile sehr unzuverlässig flogen. Er nahm sich vor, jetzt jeden Tag das Schießen zu üben. Leider wusste er nicht, wie er die Pfeile in ihrem Flug stabilisieren sollte, denn Federn fand er dazu keine. Die Vögel, die in der Nähe seiner Höhle anzutreffen waren, waren viel zu klein und ließen außerdem nur selten eine Feder fallen. Er hätte sowieso nicht gewusst, wie er sie an dem Schaft befestigen konnte.
Alles in allem war John mit sich und seiner Lage recht zufrieden. Er teilte sich das selbst auch immer wieder sehr gerne mit: Im Selbstgespräch kommentierte John jeden seiner Arbeitsschritte, machte Witze über sich selbst, gab sich selbst guten Rat und stritt sich gelegentlich sogar mit sich selbst.
Er hatte endlich einen geregelten Tagesablauf, der trotzdem nie langweilig wurde. Nach dem Aufstehen und noch vor dem Frühstück absolvierte John immer zuerst in den noch kühlen Stunden des jungen Tages eine möglichst kräftezehrende und verschiedene Muskelgruppen fordernde Kraftarbeit. Die brachte nicht nur immer wieder neue nützliche Alltagsgegenstände zustande, sie hielt ihn auch körperlich fit. Dann machte er immer etwa eine Stunde lang Pause, wenn die Sonne am höchsten stand. Dabei aß er meist etwas Leichtes wie ein paar Feigen, die, solange sein Speisenplan abwechslungsreich war, wieder gar nicht so schlecht schmeckten. Feigen waren schließlich die einzige Süßigkeit, die John bisher gefunden hatte.
[…]
Dinosaurier bekam John nur noch sehr selten zu sehen. Durch die Mangroven streiften hin und wieder ein paar von diesen riesigen Tieren, die John bereits auf seinem langen Marsch entdeckt hatte. Sie kündigten sich dabei immer schon von weither durch ihr lautes Tröten an. Obwohl er einen Speer, eine Axt und nun auch noch einen Bogen besaß, traute er sich nicht, den gewaltigen Tieren zu nahe zu kommen. Die größten Exemplare waren über vierzig Fuß lang und sicher mindestens so schwer wie Elefanten. Sie hatten eine braune, ledrige und an manchen Stellen faltige Haut aus Schuppen, die Bauchseite war dunkel-cremefarben und der Schwanz, der hoch über dem Boden hin und her schwang, wenn sie durch den Sumpf stapften, war hell gestreift. Bei manchen Tieren zogen sich diese Streifen bis zum Rücken, der wie ihr Schwanz einen Kamm aus ledrigen Zacken trug.
John kannte nicht den genauen wissenschaftlichen Namen dieser Tiere, also er nannte sie Anatos. Dieses Wort hatte er in seiner Erinnerung wiedergefunden. Anas war, so wusste er noch aus seiner Schulzeit, auch das lateinische Wort für Ente. Und tatsächlich war ihre Schnauze wie der Schnabel eines riesigen Wasservogels geformt, mit der die Tiere allerhand schmackhafte Pflanzen abweideten. Leider vergriffen sie sich auch an Johns eigenen Nahrungsgrundlagen wie dem Feigenbaum oder seinem vor dem Tal wuchernden Kräutergarten. In einem wahnsinnigen Einfall des Übermutes war John eines Tages brüllend auf die Giganten zugestürmt, um sie zu verscheuchen, und es hatte tatsächlich funktioniert. Die Tiere waren von schreckhafter Natur, und wenn man wusste, wie man sie vertrieb, fielen sie einem nicht lange zur Last.
Auch eine andere Sorte Dinosaurier lebte in den Sümpfen. Sie sahen aus wie große Laufvögel, wie Emus oder Strauße, und waren wie die Raptoren gefiedert. Sie schienen sich von Kleintieren im Wasser und Insekten, aber auch von pflanzlicher Kost zu ernähren. Von dieser Sorte Dino gab es sogar zwei verschiedene Varianten. Die kleinere war braun gefiedert, ihr Hals leuchtete rötlich. Die andere, größere, aber wesentlich seltenere Art hatte weniger Federn und war am Hals eher bläulich gefärbt. Einmal hatte John versucht, einen von ihnen mit seinem Bogen zu erlegen, jedoch hatte er knapp danebengeschossen.
Recht häufig hingegen sah John Alligatoren, Krokodile und besonders oft Schildkröten, die in seiner neuen Heimat in vielen verschiedenen Arten vertreten waren. Genauso verhielt es sich mit den Vögeln, Eidechsen, Fröschen und unzählige Arten von Insekten, welche die Gegend ebenfalls ihr Zuhause nannten. Besonders die zahlreichen Mücken machten ihm das Leben schwer. Er hatte aber beim Töpfern herausgefunden, dass sie ihn in Ruhe ließen, wenn er sich Gesicht, Arme und Hände mit Lehm einschmierte, weshalb er tagsüber oft splitterfasernackt mit verkrustetem Lehm am ganzen Körper herumlief. Haar und Bart wurden von Woche zu Woche länger, und so änderte sich sein Erscheinungsbild immer mehr. Der adrette Captain der US-Army wandelte sich zu einer Figur, die auf jedes menschliche Auge immer grotesker, vielleicht sogar etwas gruselig wirkte. Doch vor anderen Menschen brauchte er sich nicht zu genieren, wie ihm zu seiner Bestürzung immer wieder gewahr wurde.
So verbrachte John seine Tage. Mit jedem Gegenstand, den er selbst schuf, mit jedem kleinen Erfolg begann er trotzdem sein Leben positiver zu sehen, und er ließ sich auch von seinen Fehlschlägen nicht unterkriegen. Nur die Einsamkeit war kaum zu ertragen. Ständig seinen eigenen Namen sagen und hören zu müssen, machte ihn verrückt. Er vermied es deshalb, sich selbst anzusprechen, und unterhielt sich jetzt nur noch mit einer eingebildeten Melissa. Sie wurde zu seinem Gewissen, seiner Ratgeberin, seiner einzigen Freundin. Und bald kam es John so vor, als würde er nicht nur ihre Stimme in seinem Kopf hören, sondern sie direkt vor sich sehen. Sie war bei ihm, jeden Tag, jede Nacht. Der Gedanke, dass alles hier für sie zu tun, hielt ihn am Leben und gab ihm einen Sinn.
[…]
Die Tage zogen dahin. Um das Zeitgefühl nicht zu verlieren, legte John eine Strichliste an der Höhlenwand an. Er wusste zwar nicht genau, wie viele Tage er nach seiner Ankunft in der Gefangenschaft der Tropfsteinhöhle verbracht hatte. Deshalb malte er zu Beginn seiner Zählung sieben Striche an die Höhlendecke und erklärte, ausgehend vom Datum des Präsentationstages, den Tag seiner Ankunft im Tal zum Sonntag. John hatte zwar keine Ahnung, ob sein Ankunftstag tatsächlich ein Sonntag gewesen war, aber es schien ihm richtig zu sein, ihn als eine Art Feiertag zu sehen. Schließlich hatte die Höhle ihm das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit zurückgegeben.
An der Wand markierte John aber nicht nur die einzelnen Tage, sondern auch die Mondphasen, denn das Licht des Mondes war schließlich das einzige Licht, das er neben den verräterischen Fackeln in der Nacht benutzen konnte. Interessanterweise dauerte die Zeitspanne von einem Vollmond zum nächsten kürzer als erwartet. Nur dreizehn Mondbilder prangten an der Höhlenwand, als sich der Mond in der dunkelsten Neumondnacht überhaupt nicht mehr zeigte, und nur zwölf Tage später stand er bereits wieder in voller Pracht am Himmelszelt. Bislang konnte John nachts nicht viel unternehmen, doch wenn er seine Fertigkeiten mit dem Bogen etwas mehr trainierte, würde der Mondkalender ihm die beste Zeit für eine nächtliche Pirsch verraten.
Als John am Nachmittag des dreiundvierzigsten Tages seiner Zählung während der Mittagshitze in seiner Hängematte saß und an einem Stück gebratenem Schildkrötenfleisch kaute, hörte er plötzlich ein Leid verkündendes Quieken.
»Fressen und gefressen werden. Das ist der Lauf der Natur.«
John erwartete nicht, es noch ein weiteres Mal zu hören. Was auch immer da gerade geschrien hatte, es war inzwischen längst tot. Und wenn dort unten etwas starb, sollte John sich besser hier oben aufhalten. John wollte weder den Quieker kennenlernen noch denjenigen, der ihn zum Quieken brachte.
Da war es wieder. Kläglich schrie dort unten ein Tier, offenbar aufgrund bitterer Schmerzen. John stand auf und hielt Ausschau. Sehen konnte er aber nichts. Als das Geräusch zum dritten Mal an sein Ohr drang, ließ ihn die Neugier nicht mehr los. In Windeseile stieg er seine Leiter hinab, griff noch schnell nach seinem Speer und seiner Axt und schlich vorsichtig durch den Wald.
Das Schreien schien leiser zu werden. Wahrscheinlich verließen dessen Urheber gerade die Lebensgeister. John folgte dem Geräusch, solange er es noch gelegentlich hörte. Nach einem großen Tier hörte es sich nicht an. John wusste nicht, was ihn erwarten würde, wenn er den Quälgeist fand. Aber die Aussicht, vielleicht an eine einfache Mahlzeit zu kommen, trieb ihn an. Deshalb blieb er aufmerksam.
»Wahrscheinlich bin ich da nicht der einzige… Vielleicht ist es ein großer Vogel? Oder was meinst du, Melissa?«
Ein merkwürdiger Geruch stieg John in die Nase. Es roch nach Tier. Eine saure Mischung aus Blut, Verwesung und Scheiße. Unbehagen und Ekel legten sich wie eine Schlinge um seinen Hals. Ein weiterer Schrei brachte John zur Vernunft. Die Neugier wich seinem Selbsterhaltungstrieb. Blitzschnell wandte er sich um.
Er wollte gerade wieder umkehren und zu seiner Höhle laufen, da starrte ihn die Ursache für die Störung seiner Mittagspause direkt aus großen angsterfüllten Augen an. Vor ihm lag ein kleines Tier, offenbar schwer verletzt. Es war tatsächlich ein Raptor, wie die zwar noch kleinen, aber deutlich erkennbaren Sichelklauen an den Hinterläufen bezeugten. Ein Jungtier, noch nicht von echten Federn, dafür von einem dichten weißen Flaum bedeckt, der den kleinen Dinosaurier wie ein großes Watteknäuel aussehen ließ. Sein Fuß war unter einem umgestürzten Baumstamm eingeklemmt. Überall um ihn herum bedeckten große, zweizehige Fußabdrücke den Boden, die viel größer waren als jene, welche die Raptoren damals an seiner ersten Höhle hinterlassen hatten.
John standen die Haare zu Berge. Die Familie des kleinen Flauschknäuels hatte ganz offensichtlich versucht, ihm zu helfen. Sie hatten das Moos, das den morschen Stamm bedeckte, an vielen Stellen abgekratzt und ihn wohl zu schieben versucht, aber irgendwann alle Mühe aufgegeben und ihr Baby zurückgelassen. Trotzdem waren sie bestimmt noch in der Nähe. John erschauderte und wäre am liebsten wieder davongelaufen. Doch dann traf ihn das Tier mit seinem Blick. Angsterfüllt sah das Watteknäuel ihn an und erstarrte dabei für einen Moment. Dann begann es wieder zu zappeln und zu schreien, diesmal in weit kürzeren Intervallen, sodass Johns Herz immer wilder zu klopfen begann. Auch wenn er befürchtete, dass jeden Augenblick ein Rudel Raptoren aus dem Unterholz springen und ihn einkreisen würde, so konnte er das arme Tier nicht einfach zurücklassen. Es würde jämmerlich krepieren.
»Ich glaube, wir töten es besser schnell, Melissa. Bevor seine Familie zurückkommt. Das Kleine wird es sowieso nicht schaffen, wenn sein Bein gebrochen ist.«
John hob seinen Speer. Panisch strampelte der kleine Dinosaurier, der jetzt nicht mehr schrie, sondern leise wimmerte. Melissas Stimme protestierte und hielt John vom Zustoßen ab. Seine Arme zitterten. Erbarmen regte sich in ihm, und so senkte er schließlich seinen Speer. Er legte ihn im feuchten Moos ab, kniete sich neben das verletzte Tier und konnte nicht widerstehen, es zu berühren.
»Ist ja gut, mein Kleiner. Ist ja gut«, sagte er mit bedächtiger Stimme. Der kleine Raptor war ganz warm. John spürte, wie das Herz rasend schnell in der Brust des Watteknäuels schlug, und wie es sich vom eiligen Atmen immer wieder hastig hob und senkte. »Ich hole dich da raus! Keine Sorge!«
John erhob sich und begutachtete den Stamm. Mit aller Kraft stemmte er sich dagegen, um ihn anzuheben, doch es war zwecklos. Der Baum wog bestimmt eine halbe Tonne und rührte sich kein Stück. John legte die Hände in die Hüften und grübelte. Ein Einfall ließ nicht lange auf sich warten.
»Melissa, wir brauchen einen Hebel. Gib mir mal meine Axt!«
Die eingebildete Melissa tat, wie ihr geheißen, und im Nu hatte John einen dicken, langen Ast vom nächsten Baum abgehackt. John stieß ihn unter den Stamm so tief ins Erdreich hinein, wie er konnte. Mit aller Kraft begann er, daran zu hebeln und zu zerren und legte dabei sein ganzes Gewicht hinein. Bald lief der Schweiß in Strömen an ihm herab, doch es erschien weiterhin aussichtslos. Der Stamm regte sich nicht.
John wollte gerade aufgeben, als der Baum ein schlürfendes Knirschen ertönen ließ, einen Satz nach vorn machte und seinen Gefangenen freigab. Dieser wollte sofort aufspringen und fliehen, kam mit seinem verletzten Bein allerdings nicht weit. Dem Raptor blieb nichts anderes übrig, als weiter hilflos zu zappeln und dabei nun wieder nach Leibeskräften zu schreien.
John klingelten bereits die Ohren von dem Lärm, als er den Baumstamm noch ein kleines Stück weiter nach vorne drückte, um den Dinosaurier darunter nicht zu zerquetschen. Er schob und schob, so stark er konnte, und endlich ließ er den Stamm zurück in den Matsch fallen, ein gutes Stück weit weg von dem kleinen Dinosaurier. John versuchte, seinen Patienten zu beruhigen und kniete sich wieder zu ihm hinunter, um ihm den Rücken zu kraulen. Der Raptor war damit aber alles andere als einverstanden, versuchte zu beißen und John mit den noch winzigen, aber bereits nadelspitzen Klauen zu erwischen. Langsam jedoch begann das Tier sich an die Berührungen zu gewöhnen. Sein Atem beruhigte sich, auch wenn das Herz immer noch rasend schnell schlug. Vielleicht verstand das kleine Wesen, dass John nichts Böses beabsichtigte. Vielleicht war es aber jetzt auch einfach zu erschöpft, um weiter Widerstand zu leisten.
John trug das Dinosaurierbaby nach oben in die Höhle. Dort untersuchte er das Bein genauer. Es sah aus wie das Bein eines Raubvogels. Der Oberschenkel war gebrochen und musste fixiert werden, sonst würde der kleine Kerl keine Überlebenschance haben. John fertigte aus einem flachen Stück weicher Baumrinde und einem stabilen, dünnen Ast eine Schiene an und befestigte sie mit etwas Bastschnur direkt am Bein. Danach legte er das erschöpfte Tier, das sich die ganze Prozedur nun widerstandslos gefallen ließ, auf ein paar Palmenblätter, die John sonst als Sonnenschutz verwendete, und stellte eine kleine Schale mit Wasser für seinen Findling bereit. Der Raptor hatte aber keine Lust, etwas zu trinken.
»Vielleicht lieber etwas Handfestes, ja?«
John schöpfte ein paar Streifen Schildkrötenfleisch aus seinem Topf und hielt sie dem Dinosaurier vor die Nase. Zuerst starrte das kleine Watteknäuel nur apathisch ins Leere. Erst, als John das Fleisch schon wieder enttäuscht zurück in den Topf legen wollte, zeigte sich der Kleine interessiert und schnüffelte. Dann schnellte sein dürrer Hals hervor und der schmale, ungewöhnlich große Kopf schnappte sich das Fleisch. John lächelte vergnügt, als der Dinosaurier ihn interessiert und plötzlich voller Zutrauen anblickte, ehe er einen weiteren Streifen verschlang. Fiepend verlangte der Kleine einen Nachschlag und John lachte schallend. Der Dinosaurier forderte immer mehr und mehr, und als er irgendwann dann endlich satt war, schloss er die vorher so lebhaften, schwarzblauen Augen. Es war sicher vollkommen erschöpft.
»Oder du hast ihn überfüttert, John. Außerdem, was sollen wir denn jetzt essen? Es ist ja kaum noch etwas übrig!«
John sah ein, dass Melissa wahrscheinlich Recht hatte. Interessiert betrachtete er seinen kleinen Findling. Der Kleine sah nicht mehr wie eines der gefährlichen Raubtiere aus, denen er einst nur mit knapper Not entkommen war. Eigentlich sah das Tier ihnen kaum ähnlich, die Proportionen passten nicht.
»Vielleicht gehört der Kleine ja zu einer anderen Spezies. Es könnte hier doch mehrere Raptorenarten geben, wer weiß? Vielleicht war es ganz gut, dass ich ihn so gut gefüttert habe. Wer weiß, vielleicht wird der Bursche hier einmal viel größer«, flüsterte John leise, während er Melissa kichern und gleichzeitig seufzen hörte.
»Du Spinner. Meinst du, du kannst ihn etwa abrichten? Und er wird dann dein Leibwächter?«
John sah, wie ihre Augen trotzdem leuchteten, als sie das niedliche Flauschbündel betrachtete und ihn dabei beobachtete, wie er den Kleinen sanft streichelte. John stand auf und kletterte die Leiter hinunter, um sich wieder seinem Tagewerk zu widmen. Voller Zufriedenheit lächelte er Melissa an.
»Jetzt sind wir nicht mehr allein, Melissa. Jetzt haben wir ein kleines Baby. Das wolltest du doch immer.«
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