In meinem Roman Die Weißen Steine gelangt eine Schulklasse auf mysteriösem Wege in die späte Kreidezeit. Genauer: ins Maastrichtium, wie die Forscher den allerletzten Abschnitt der Kreidezeit nennen. Die unfreiwillige Zeitreise verschlägt die Teenager und ihre Lehrer ins prähistorische Nordamerika. Dieser Kontinent war ein wahrlich einzigartiger Lebensraum: Noch wenige Jahrmillionen zuvor hatte ein gewaltiges Binnenmehr ihn in drei Teile geteilt. Nun hatten Gebirgsbildungen und ein allmählicher Rückzug des Meeres dazu geführt, dass sich zuvor isoliert liegende Gebiete wieder durch Landbrücken miteinander verbanden. Dies ermöglichte es den Tieren, zwischen verschiedenen Lebensräumen umherzuwandern. Manche blieben allerdings auch standorttreu und kamen nur in ihren ursprünglichen Ökosystemen vor. So gab es hinsichtlich der Tierwelt und Landschaft große Unterschiede. Das westliche Hochland bot einer ähnlichen, aber doch etwas anderen Tierwelt einen Lebensraum.
Geographie
Der Westen des nordamerikanischen Kontinents war in der späten Kreidezeit geographisch vor allem von der laramidischen Orogenese geprägt: der Bildung eines massiven Gebirges, welches in unserer Zeit zu den Rocky Mountains werden sollte. Während des Maastrichtiums war es das größte Gebirge seiner Zeit. Zwar erreichten die Gipfel damals nicht die Höhen heutiger Berggiganten wie etwa im Himalaya. Sie kamen allerdings auf Höhen von bis knapp über 5.000 Metern. Das laramidische Gebirge bildete sich in mehreren zeitlichen Teilabschnitten am Rand einer langen Subduktionszone. Hier glitt die ozeanische, heute vollständig aufgeschmolzene Farallon-Platte allmählich unter die kontinentale Nordamerikanische Platte in einem flachen Winkel ab. Dies führte dazu, dass sich auf einer Breite von vielen hundert Kilometern Berge emporhoben.
Interessanterweise kam es am Westrand in Richtung der Pazifikküste zu überhaupt keinem Vulkanismus, wie es eigentlich für solche Plattenränder typisch wäre. Die Vulkane lagen deutlich weiter östlich, kurz vor den Küstengebieten der Binnenmeere wie dem Pierre Seaway, wo es in hoher Frequent zu Vulkanausbrüchen kam. Eine Erklärung dafür ist vielleicht, dass die abtauchende ozeanische Kruste in diesem speziellen Fall auf eine relativ kühle kontinentale Lithosphäre traf, anstatt wie üblich auf eine wärmere Asthenosphäre. Dies hatte zur Folge, dass der Westen landschaftlich völlig anders aufgebaut war als die Gegenden an den Küstenrändern des Pierre Seaways.
Zwei geteilte Ökosphären
Prähistorische Lebensräume im Hochland waren aufgrund der dort vorherrschenden Witterungsverhältnisse, die nur eine geringe Chance bieten, dass ein Lebewesen nach seinem Tod schnell sedimentiert wird, nicht besonders gut für die Fossilisation geeignet. Außerdem sind, wie auf den Landschafts-Bildern gut zu erkennen ist, viele der heutigen Felsformationen, die möglicherweise Fossilien beherbergen, auch heute noch sehr schwer zugänglich und die Bergung der Fossilien immer mit großem Aufwand und auch Gefahren verbunden. Folglich haben wir aus den soeben beschriebenen Gesteinsformationen nicht sehr viele Funde von Dinosauriern. Es ist anzunehmen, dass im westlichen Nordamerika eine um ein Vielfaches höhere Artenvielfalt an Dinosauriern vorkam, die wir bislang noch gar nicht kennen. Und vielleicht werden wir die meisten davon auch in Zukunft niemals entdecken!
Die vorkommenden Arten im westlichen Hochland musste ich also mit Zuhilfenahme des Fossilberichts aus anderen, besser überlieferten Formationen aus dem Tiefland rekonstruieren, wie vor allem der Ojo Alamo Formation. Aufgrund der paläo-geographischen Nähe konnte ich hier eine ähnliche Tierwelt vermuten.
Viele Forscher gehen davon inzwischen davon aus, dass die laramidische Gebirgskette, aber auch die noch vorhandenen Meeresarme und vielleicht auch mächtige Flussläufe natürliche Barrieren darstellten, die das westlichen Nordamerika in mindestens zwei große Ökosphären teilte. Die eine, zu welcher u.a. die Hell Creek Formation gehört, liegt im nordöstlichen Laramidia. Sie reicht von Colorado über den Osten Wyomings nach Ost-Montana, und über North und South Dakota bis ins kanadische British Columbia, Alberta und Saskatchewan. Die andere umfasst wiederum die Formationen im amerikanischen Südwesten, wie u.a. die North Horn Formation. Sie erstreckt sich westlich vom Nordwesten Montanas über den Westen Wyomings und Utahs bis nach Nevada und Kalifornien, und reicht südlich nach Arizona, New Mexiko, Texas und in den mexikanischen Bundesstaat Sonora. |
Klima
Heute ist das westliche Hochland von Nordamerika ein recht vielfältiger Lebensraum. Im Süden finden sich sowohl Wüsten und Halbwüsten, in der Mitte die weitläufigen Prärien, und auch dichte Nadelwälder an der Nordwestküste. Während der späten Kreidezeit war diese Landschaft sogar noch vielfältiger. Basierend auf der Geologie und der Fossilüberlieferung herrschte hier ein heißes bis gemäßigtes Klima vor, das saisonale Niederschläge und feuchte Bedingungen bloß in bestimmten Bereichen aufwies. Die Temperaturen konnten hier im Sommer auf deutlich über 40°C steigen, im Winter lagen sie dagegen oft unter 10°C.
Der stetige Wechsel aus Hoch- und Tiefland ließ nur eine begrenzte Niederschlagsmenge zu, da die Wolken meist an den West- und Osthängen der laramidischen Gebirgskette hängen blieben. Je nach Lage erlebten bestimmte Regionen Jahre mit weniger als 100mm. Südwinde transportierten allerdings während der Regenzeit auch feuchtere Luftmassen in die Täler, wo es dann zu höheren Niederschlagsmengen von mehr als 300mm pro Jahr kam. Die Täler wurden dort von weitverzweigten Fluss-Systemen entwässert. Vielerorts bildeten sich in den lehmigen Senken auch tiefe Seen und dort, wo es verhältnismäßig hohe Niederschlagsmengen gab, sogar Schwemmebenen und Sumpflandschaften. Statt einer vom Vulkanismus geprägten Landschaft mit feuchtem Meeresklima herrschte hier allerdings zumeist ein semiarides Kontinentalklima vor, das vor allem Steppen und Farnprärien statt dichter Urwälder gedeihen ließ.
Ökologie und Landschaftsformen
Der Westen Nordamerikas war eine abwechslungsreiche Landschaft, die vielen verschiedenen Lebewesen einen ebenso vielfältigen Lebensraum bot, der sich deutlich von anderen Gegenden auf dem Kontinent unterschied. Begeben wir uns nun auf eine Reise, diesmal von Ost nach West, durch diese beeindruckende Urzeitwelt und lernen ihre Schönheit und ihre Bewohner näher kennen!
Die Pazifik-Küste
Die Westküste Nordamerikas bot während des Maastrichtiums einen facettenreichen Lebensraum für eine Vielzahl von Pflanzen und Tieren. Das Klima an dieser Küste war gemäßigt und ozeanisch geprägt, mit milden Temperaturen im Norden, heißen Temperaturen im Süden, und einer gleichmäßigen Verteilung der Niederschläge über das Jahr hinweg. Entlang der Küste erstreckten sich ausgedehnte Waldgebiete, die von Nadelbäumen wie Zypressen und Mammutbäumen dominiert wurden. Diese gigantischen Bäume, einige der höchsten und ältesten der Welt, schufen ein beeindruckendes, von Schatten gesäumtes Reich, in dem eine Vielzahl von Lebensformen existierte. Unter ihrem Blätterdach fanden sich Farne, Moose und epiphytische Pflanzen, die die Bäume selbst bewohnten.
Die Küstenregion bot auch reichlich Nahrung für Pflanzenfresser, wie die Hadrosaurier Edmontosaurus und Augustynolophus, den Horndinosaurier Triceratops und auch den gewaltigen Sauropode Alamosaurus. Sie ernährten sich von den reichlich vorhandenen Nadeln und Farnen, während sie auf ihren jährlichen Wanderungen an der Pazifik-Route entlangzogen. Der mächtige Tyrannosaurus durchstreifte hier die Wälder auf der Jagd nach Beute, während zahlreiche Säugetiere den Waldboden und viele Vogelarten die Baumkronen bevölkerten und dort nach Insekten suchten.
Das Hochland im Westen
Im Westen erstreckten sich ein ausgedehntes Hochland mit deutlich rauerem Klima. Hier gab es weite zerklüftete Felsregionen, aber auch einige flachere Ebenen und niedrigere Hügel, die von Farnen und Sträuchern bedeckt waren. Je höher die topographische Lage oder auch die geographische Breite, desto gravierender waren hier die jährlichen Temperaturschwankungen. Während in den flacheren Gebieten im Südwesten warme Sommer und milde Winter zu erwarten waren, so lag auf den mehr als 5.000 Meter hohen Gipfeln im Nordwesten das ganze Jahr über Schnee.
In den von lichten Gebirgswäldern und offenen Farnlandschaften geprägten Lebensräumen fühlten sich vor allem Pachycephalosaurier, kleinere Säuger und viele Vogelarten wohl, welche wie auch die riesigen Flugsaurier die Felsklippen als sichere Brutplätze nutzten. Die gefährlichsten Beutegreifer hier waren Dromaeosaurier und Troodontiden.
Farnprärien
Die Farnprärien waren ein faszinierender Lebensraum, der sich als ein breites Band vom Norden des heutigen Kanadas bis ins heutige Mexiko entlang zog. Hier erstreckten sich weite Flächen von niedrig wachsenden Pflanzen, darunter Farne, Bärlappe und verschiedene Arten von Moosen. Dieser Lebensraum war geprägt von relativ geringem Baumbewuchs, was es den Bodendeckern ermöglichte, sich auszubreiten und ein dichtes Netzwerk zu bilden.
Die Farnprärien waren der bevorzugte Lebensraum für Dinosaurier wie Thescelosaurus und Struthiomimus. Diese Pflanzenfresser fanden in den niedrig wachsenden Pflanzen ein üppiges Nahrungsangebot. Aber auch einige sehr große Dinosaurier kamen hier vor, wie der gewaltige Sauropode Alamosaurus, von denen einige Exemplare die baumlosen Gebiete für ihre jährlichen Wanderungen von Nord nach Süd und umgekehrt als Alternativstrecke zur Pazifikroute bevorzugte. Besonders noch junge Exemplare fielen hier häufig dem Tyrannosaurus zum Opfer, der hier an der Spitze der Nahrungskette stand.
Flussauen
Die Flussauen waren grüne Lebensadern, die sich quer durch die Tieflandgebiete zogen. Hier wuchsen dichtes Ufergestrüpp, Bäume und Wasserpflanzen. Das reichlich vorhandene Wasser zog eine Vielzahl von Tieren an, darunter Amphibien, Fische, Vögel, Säugetiere und besonders Dinosaurier. Auf den etwas abseits und vor Überschwemmungen geschützten Hochebenen fanden viele von ihnen ihre Brutplätze.
Entlang der Flüsse konnte man oft Herden von Hadrosauriern wie Edmontosaurus und Augustynolophus, den Horndinosaurier Triceratops und auch viele kleinere Dinosaurier wie Ornithomimus, Thescelosaurus und Ojoraptorosaurus beim Weiden und der Wasseraufnahme beobachten. Auch viele Wasservögel nutzten diese Gewässer als Lebensgrundlage. Raptoren, Troodontiden und Tyrannosaurus lauerten an den Ufern auf Beute.
Vulkanplateaus
Das breite Band aus Prärien, Hügelketten und Flussauen wurde im Osten schließlich wieder durch ein zerklüftetes Hochland abgelöst. Diese Umgebung war vielerorts sogar noch rauer als die Berge, die weiter westlich lagen. Sie waren geprägt von Basaltfelsen und oft nur spärlich wachsender Vegetation. Der karge Boden war auch von Lavafeldern geprägt, die in der gleißenden Sonne des Südens glühten oder im Norden eine ganzjährig überfrorene, lebensfeindliche Eiswüste waren.
Trotz der rauen Bedingungen konnte man hier erstaunlicherweise einige Dinosaurier antreffen. Der kleine Trierarchuncus war beispielsweise häufig in dieser trockenen Umgebung anzutreffen und suchte dort nach Insekten oder Aas. Auch Pachycephalosaurus, ein geschickter Kletterer, fand hier selbst in großen Höhenlagen noch Nahrung. Trotz der Trockenheit gab es in dieser Umgebung erstaunlicherweise noch Leben, dem die Natur hier aber ein immenses Maß an Anpassungsfähigkeit abverlangte. Und auch eine enorme Regenerationsfähigkeit: Bei den hochfrequent auftretenden Vulkanausbrüchen wurden oft große Landstriche vollständig vernichtet und landschaftlich umgeformt.
Fossil-Lagerstätten aus dem westlichen Hochland Nordamerikas:
Meine Rekonstruktion der Lebensräumen aus den westlichen Hochlandgebieten Laramidias basiert natürlich auf echten Erkenntnissen aus der paläontologischen Forschung. Um diese beeindruckende Welt wiederzuerschaffen, habe ich aus zahlreichen Studien zu folgenden Lagerstätten recherchiert:
North Horn Formation |
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Weitere Lebensräume:
An Land:Das westliche Hochland Im Meer:Pazifik Golfküste Pierre Seaway Atlantik |
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