Während der Kreidezeit teilte ein Binnenmeer den nordamerikanischen Kontinent in einen Ost- und einen Westteil. Beide sind nach den prägenden Höhenzügen benannt: den Westteil nennen Forscher Laramidia, den Ostteil Appalachia. Die Tier- und Pflanzenwelt in Laramidia ist recht gut überliefert. Vor allem die Dinosaurier, die dort während des Campaniums und des Maastrichtiums lebten, sind gut bekannt und erforscht. Die Tierwelt Appalachias ist jedoch nach wie vor ein Mysterium. Wie in der jüngeren Erdgeschichte der Inselkontinent Australien, war auch Appalachia über Jahrmillionen von Laramidia getrennt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich dort ebenfalls eine einzigartige Tierwelt entwickeln konnte. Am Ende der Kreidezeit zog sich das Meer zurück, und beide Landmassen vereinigten sich wieder. Welche Dinosaurier damals in Appalachia lebten, wissen wir aber nur durch sehr wenige Fossillagerstätten.
Geographie
Der um etwa 90 Meter höhere Meeresspiegel am Ende der Kreidezeit war der Grund, dass die Küstenlinien beinahe überall auf der Welt anders verliefen, als wir sie heute von unseren Landkarten kennen. So auch im Osten Appalachias: dort reichte die Küste noch einige Kilometer weiter ins Inland und große Teile der Bundesstaaten an der heutigen Ostküste der Vereinigten Staaten lagen noch unter der Oberfläche des Atlantischen Ozeans. Dieser Ozean war auch um einiges schmaler als heute. Europa war der kreidezeitlichen Ostküste Amerikas noch ein gutes Stück näher, war aber weitestgehend unsichtbar: denn auch die Länder Europas waren größtenteils vom Meer, der großen Tethys, überflutet.
Während einige Lagerstätten Nordamerikas, wie etwa die Hell Creek Formation in Montana oder die Prince Creek Formation in Alaska, sich in den letzten 66 Ma deutlich verschoben und ihre geographische Lage erheblich um mehrere Breitengrade verändert haben, so war diese Bewegung im Osten nicht so stark spürbar. Der Kontinent vollführte während seines Drifts eine Art Kreisbewegung um den Osten herum. Die großen Städte an der Ostküste, wie New York, Baltimore, Philadelphia und Washington, haben ihre geographische Position höchstens um etwas mehr als 1° verlagert und sind leicht nach Südwesten gewandert. Deshalb war der Tag-Nacht-Rhythmus dort im Laufe eines Jahres während der Kreidezeit mit dem heutigen nahezu identisch.
Klima
Hinsichtlich des Klimas gab es jedoch signifikante Unterschiede. Heute sorgt der Nordatlantikstrom an der Ostküste der Vereinigten Staaten für ein mildes, gemäßigtes Klima. Obwohl die Gegend von New York bis Washington auf einer ähnlichen Breite liegt wie in Europa die Städte Lissabon, Madrid oder Rom, herrschen dort beileibe keine Mittelmeertemperaturen vor. Im Winter fallen die Temperaturen dort heute häufig unter den Gefrierpunkt. Verschneite Straßen und Felder sind dann eher die Regel als eine Ausnahme. Der Nordatlantikstrom existierte in der Kreidezeit aber noch nicht, und folglich auch kein so extremer Abkühleffekt. Im Gegenteil: weil auf der ganzen Erde ein Warmklima herrschte, das sich am Ende der Kreidezeit sogar noch weiter erwärmte, war es im amerikanischen Osten sogar wärmer als heutzutage am Mittelmeer! Es entsprach vielmehr dem subtropischen bis tropischen Klima der heutigen Staaten Georgia, South Carolina und Florida.
Die warme, feuchte Luft zog vom Atlantik durch Ostwinde getrieben weit ins Landesinnere. So herrschte hier ein regenreiches Klima vor, dass für die Pflanzenwelt ein wahrer Segen war. Zwischen 1.200 und 1.600 mm Niederschlag fielen hier pro Jahr. Immergrüne Regenwälder, bestehend aus Koniferen und auch Laubbäumen, profitierten davon und prägten das Landschaftsbild. Die Wolken fanden erst weit im Inland, an den Hängen der Appalachen, endlich einen Widerstand. Diese Berge, die dem Teilkontinent auch ihren Namen gaben, waren allerdings in der Kreidezeit kaum viel höher als heute. Sie waren komplett mit Wäldern bedeckt. Einige Wälder lagen allerdings so hoch, dass sie bis hoch in die Wolken hineinragten, und teils sogar darüber hinaus. Auf ihren Gipfeln stehend, wenn man dort eine freisichtige Lichtung fand, konnte man über einen endlosen Teppich aus Wolken hinwegschauen, aus dem immer wieder grüne, baumbewachsene „Inseln“ herausragten.
Ökologie und Landschaftsformen
Wegen der Jahrmillionen langen Teilung der beiden Landmassen Laramidia und Appalachia finden sich im Osten noch viele Tier- und Pflanzenarten, die im Westen nur selten sind oder überhaupt gar nicht vorkommen. Die einzigen „Dauergäste“ in beiden Lebensräumen waren die Vögel, weil sie über den schmaler werdenden Seeweg hinwegfliegen konnten. Auch die Fische, Amphibien, Krokodile und Champsosaurier hatten kaum Probleme, die natürliche Grenze zu überwinden und sich auf beiden Landmassen auszubreiten. Den großen Dinosauriern blieb dies jedoch lange Zeit verwehrt. Doch seit dem Rückzug des Western Interior Seaways entstand über den Isthmus von Dakota eine Landbrücke, über welche Tiere von Laramidia nach Appalachia einwandern konnten und umgekehrt. Nun, am Ende der Kreidezeit, haben sich besonders die Waldbewohner Laramidias in den dichten Nebelwäldern Appalachias ausgebreitet.
Dinosaurier aus den Nebelwäldern Appalachias, von links nach rechts im maßstabsgetreuen Größenvergleich: Trierarchuncus prairiensis, Wellnhopterus brevirostris, Dryptosaurus aquilunguis, Coelosaurus novus, Dakotaraptor steini, Ornithomimus velox, Anzu wyliei, Hypsibema neocesariensis, Acheroraptor temertyorum, Pachycephalosaurus wyomingensis, Leptoceratops gracilis, Pectinodon bakkeri, Platytholus clemensi, Thescelosaurus neglectus, Denversaurus schlessmanni, Spaerotholus buchholtzae, Sauronitholestes langstoni, Ankylosaurus magniventris.
Bitte zu beachten: Die Rekonstruktion der Tierwelt in den Nebelwäldern Appalachias ist aufgrund der schlechten Fossilüberlieferung und des dürftigen Forschungsstandes nur schwer möglich. Ich habe mir deshalb hierbei viele literarische Freiheiten nehmen müssen. Bis auf Dryptosaurus ist nämlich kein einziger Dinosaurier auf Gattungsebene bislang überhaupt evidenzbasiert bestimmt worden. Von nodosauriden Ankylosauriern (Denversaurus?), Hadrosauriern (Hypsibema?) und Ornithomimosauriern (Coelosaurus?) liegen aus dem Maastrichtium New Jerseys lediglich fragmentarische Fossilien vor. Die Gattungen, die ich ihnen zugewiesen habe, also Coelosaurus und Hypsibema, stammen allerdings aus älteren Schichten auss dem Campanium. Erstere ist sogar in der Forschung höchst umstritten und könnte auch synonym zu Ornithomimus sein. Deshalb wurden Hybsibema und Coelosaurus hier mit fiktionalen Artnamen versehen.
Steilküsten
Entlang der östlichen Küstenlinien Appalachias finden sich vielerorts majestätische Steilküsten, die von einer längst vergangenen Ära zeugen. Diese beeindruckenden Formationen ragen hoch über dem atlantischen Ozean auf und wurden von noch weit älteren Sedimentgesteinen aufgebaut, aus der Unterkreide und dem Jura. Sie bieten ein atemberaubendes Panorama, sind aber auch Heimat einer vielfältigen Tierwelt, darunter viele Arten von Seevögeln und Pterosauriern, die elegant über den Küsten schweben. Hier haben sich auch zahlreiche Pflanzenarten an die Herausforderungen des Küstenlebens angepasst und bilden üppige, grüne Oasen an den Rändern der Klippen. Die Steilküsten Appalachias sind nicht nur geologische Wunder, sondern auch wichtige Lebensräume, die einen einzigartigen Einblick in die Welt der Kreidezeit bieten. Inmitten der Gischt des rauschenden Ozeans und des landeinwärts ziehenden Nebels erzählen sie die Geschichte einer längst vergangenen Ära der Erde.
Sümpfe
Dort, wo keine Klippen den Kontinentalrand zum Ozean bilden, und wo das Meer und das Land ihre Grenzen oft verwischen, ragen ausgedehnte Küstensümpfe bis tief ins Landesinnere hinein. Diese feuchten Lebensräume erinnern an die berühmten Bayous im heutigen Louisiana, und wie diese prägen sie das Landschaftsbild an den Mündungsdeltas großer Flüsse. Sie sind von üppiger Vegetation geprägt und bilden ein wichtiges Ökosystem entlang der Küsten Appalachias. Die Kreidesümpfe bieten eine reiche Vielfalt an Pflanzen- und Tierarten. Farne, Seerosen und Schachtelhalme sprießen aus dem schlammigen Boden und bilden dichte Teppiche aus Grün. Viele urzeitliche Insektenarten haben hier ihre Heimat und fliegen geschäftig zwischen den Pflanzen umher. Am Rande der Sümpfe trifft man häufig auf Amphibien und Reptilien. Diese Feuchtgebiete sind auch ein wichtiger Lebensraum für Dinosaurier wie Hadrosaurier, die hier nach Nahrung suchen. Das diffuse Licht, das durch das dichte Blätterdach und den Nebel dringt, verleiht den Sümpfen eine zauberhafte Atmosphäre.
Regenwald
Appalachia ist aufgrund seines topographischen Profils ohne felsige Höhenzüge von dichten Wäldern bedeckt, die einer schier endlosen Vielfalt von Pflanzen und Tieren einen Lebensraum bieten. Dieser Lebensraum ist nach dem Ökosystem des weltumspannenden Ozeans eines der größten zusammenhängenden Ökosysteme der kreidezeitlichen Erde. Die Baumkronen, meist auf über 50 oder gar bis zu 100 Metern Höhe, fangen die schier unaufhörlichen Regenfälle auf. Darunter wachsen niedrigere Pflanzen, die aber von den Baumriesen ebenfalls profitieren. Sträucher, Zykadeen und Baumfarne bilden die mittlere Ebene des Waldes, während Farne, Bärlappe und Schachtelhalme den sauren und nährstoffarmen Boden bedecken. Ihre Nährstoffe beziehen die Pflanzen vor allem durch den ewigen Kreislauf aus Verfall und erneutem Wachstum, und aus Mineralien, die von den Flüssen transportiert werden.
Die Atmosphäre in diesen Regenwäldern ist gesättigt von Feuchtigkeit und verleiht diesem Lebensraum eine einzigartige Aura der Mystik und Vitalität. Vor allem ihre Geräuschkulisse ist betörend. Das Zirpen von Grillen und das Summen von Insekten erfüllen die Luft. Vogelrufe und das Rauschen von Wasserfällen sind allgegenwärtig. Diese Wälder sind die Heimat von vielen Dinosauriern, darunter Pflanzenfresser wie gepanzerte Ankylosaurier und Hadrosaurier, die sich von den üppigen Pflanzen ernähren, sowie fleischfressende Raubsaurier, die auf Beute lauern. Der größte von ihnen ist der selten gewordene Dryptosaurus, die letzte Art einer alten Linie von basaleren Tyrannosauriern, der aber im Gegensatz zum Tyrannosaurus aus dem Westen viel kräftigere Arme hat. Auch eine Vielzahl kleinerer Pflanzenfresser streift durch die Regenwälder, stets auf der Hut vor gewitzten Räubern wie den Deinonychosauriern.
Nebelwald
Die Regenwälder reichen auch bis in die höchsten Höhenlagen der prähistorischen Appalachen, auf mehr als 2.000 Metern Höhe. In diesen nicht nur wegen der dünner werdenden Luft schwindelerregenden Höhe erstreckt sich ein faszinierender Lebensraum: der Nebelwald. Hier, wo die Baumkronen bis in die Wolken und gelegentlich über sie hinausragen, entfaltet sich eine geheimnisvolle Welt, umgeben von einem permanenten Schleier aus Nebel und Wolken. Dieser Nebel gibt dem Lebensraum seinen Namen und verleiht ihm ein gespenstisches und zugleich faszinierendes Ambiente. Aufgrund der höheren Lagen sind die Temperaturen kühler als in den tiefer gelegenen Wäldern, und die Luft ist mit Feuchtigkeit gesättigt.
Die Flora in den Nebelwäldern ist von bemerkenswerter Anpassungsfähigkeit geprägt. Sie bezieht Wasser und Nährstoffe nicht aus Flüssen oder Grundwasser-Reservoirs, sondern direkt aus dem stetig fallenden Regen und der Feuchtigkeit der salzigen Wolken. Moose, Farne und epiphytische Pflanzen überziehen die Baumstämme und Felsen und schaffen so ein komplexes Ökosystem. Dieser Lebensraum ist auch die Heimat einiger seltener und einzigartiger Tierarten, die perfekt an die Herausforderungen des Nebelwalds angepasst sind. Darunter befinden sich flinke, baumbewohnende Säugetiere und Vögel mit bunten Federkleidern, die sich von den Früchten und Insekten des Waldes ernähren. Auch einige Dinosaurier durchstreifen den Nebelwald. Der größte Jäger hier ist der gespenstische Dakotaraptor, ein gefürchteter Dromaeosaurier.
Fossil-Lagerstätten im Osten Nordamerikas:
Meine Rekonstruktion der Lebensräume des spätkreidezeitlichen Appalachia basiert natürlich auf echten Erkenntnissen aus der paläontologischen Forschung. Um diese beeindruckende Welt wiederzuerschaffen, habe ich aus zahlreichen Studien zu folgenden Lagerstätten recherchiert:
Hornerstown Formation |
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Weitere Lebensräume:
An Land:Die Nebelwälder Appalachias Im Meer:Pazifik Golfküste Pierre Seaway Atlantik |
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