Auf meiner Website, insbesondere bei den Fossilberichten und in den Paläo-News, versuche ich natürlich, für den Laien verständlich zu schreiben. Auch Kinder und ihre Eltern sollen verstehen, worum es eigentlich geht. Trotzdem verwende ich auch fachgerechte, paläo-biologische Fachtermini und auch die in der Wissenschaft üblichen Abkürzungen. Falls du dich fragst, was diese bedeuten, möchte ich dir das gerne einmal ausführlich erläutern: Hier gibt es eine Erklärung für die häufigsten paläontologischer Fachbegriffe und alle wichtigen Abkürzungen zu deinem Lieblingsthema!
Bei diesem Artikel hat mir der Paläontologe Dr. Pascal Abelgeholfen, dem ich dafür herzlich danken möchte.
Abkürzungen
In der Paläontologie verwenden wir mehrere Abkürzungen, die auch in der Zoologie und Botanik üblich sind. Vor allem bei der Klassifikation von ausgestorbenen Tieren und Pflanzen spielen sie eine wichtige Rolle. Oft ist von einem Tier ja nur ein kleiner Teil überliefert. Wenn man z.B. nur einen Wirbelknochen findet, lässt sich dadurch zwar oft sagen, in welche Tiergruppe es gehörte. Die genaue Gattung oder die Art zu bestimmen, ist da allerdings schon schwieriger. Auch muss es bei der Katalogisierung von Fossilien manchmal schnell gehen und man hat dann einfach nicht die Zeit, jeden Fund genauer wissenschaftlich zu untersuchen. Auch dafür gibt es entsprechende Kennzeichen, die man auch als interessierter Laie kennen sollte. |
sp.
Diese Abkürzung steht für das lateinische Wort species. Diese Abkürzung verwenden Paläontologen, wenn sie ein Fossil wenigstens auf Gattungsebene klassifizieren konnten, aber es trotzdem unklar bleibt, zu welcher Art (Spezies) es konkret gehörte. Meistens sind Dinosaurier und andere Urzeittiere ja nicht als zusammenhängende Skelette überliefert. Viele ihrer Fossilien sind nur schlecht erhalten oder unvollständig. Dies kann die genaue Zuordnung erschweren oder gar unmöglich machen. Und manchmal hat sich eben auch einfach noch kein Forscher gefunden, der sich die Mühe gemacht hat, das Fossil näher zu bestimmen.
Von vielen Theropoden kennt man z.B. bislang nur einzelne Zähne. Hier ist es oft unklar, welcher Art sie einmal gehört. Bei Richardoestesia sp. handelt es sich z.B. um ein „Wastebasket-Taxon“, also eine sogenannte Mülleimergattung. Es ist der Zahn eines Troodontiden, der Ähnlichkeit zu anderen, fast überall auf der Welt vorkommenden Troodontiden-Zähnen hat. So könnte es sich hierbei vielleicht um den Zahn eines Pectinodon bakkeri handeln, der z.B. aus der Hell Creek Formation definitiv, auch durch Skelettüberreste, überliefert ist. Aber er weist doch einige Unterschiede im Detail auf, sodass es sich genauso gut auch um eine eigene Art oder sogar Gattung handeln könnte, die wir vielleicht noch gar nicht kennen!
spp.
Diese Abkürzung ist einfach bloß die Pluralform von species. Die wird verwendet, wenn es in einer Fossilbericht mehr als eine einzige Spezies eines auf Gattungsebene bestimmbaren Taxons gibt. Wenn also z.B. zwei sich voneinander deutlich unterscheidende Fossilien gibt, die z.B. der Gattung Thescelosaurus zugeschrieben werden können, es aber unklar ist, zu welchen Arten sie gehören, setzt man dieses Kürzel.
sp. n. oder sp. nov.
Diese Kombination wird verwendet, wenn in einem Fachpaper eine neue Art einer bereits bekannten Gattung erstmalig beschrieben wird. Sie steht für species nova, was auf Latein schlicht „neue Art“ bedeutet. Ein Beispiel aus Hell Creek wäre Sphaerotholus triregnum, ein kleiner Pachycephalosaurier. Die Gattung Sphaerotholus wurde nämlich schon im Jahr 2002 erstmalig beschrieben und umfasste damals drei Arten, S. goodwini, S. buchholtzae und S. edmontonensis. Im Jahr 2023 konnten S. triregnum und S. lyonsi abgegrenzt und als neue Arten einer bereits bestehenden Gattung aufgestellt werden.
gen. n. oder gen. nov.
Der umgekehrte Fall ist es, wenn eine Art bereits bekannt ist, es sich dann aber herausstellt, dass sie zu einer völlig anderen Gattung, lateinisch genus novum, als zuvor angenommen gehört. Hier ist ebenfalls unser Sphaerotholus ein gutes Beispiel. Dieser wurde bei seiner Erstbeschreibung im Jahr 1943 nämlich fälschlicherweise der Gattung Troodon zugeordnet, also für einen kleinen Fleischfresser gehalten. Er hieß zuerst Troodon edmontonensis. Williamson & Carr fanden aber 2002 heraus, dass dieses Material zu einem pflanzenfressenden Pachycephalosaurier gehörten, und große Ähnlichkeit mit neuen Fossilien aufwiesen, die sie selbst in ihrer Arbeit beschrieben und als neue Arten benannten. Sie stellten hierzu die neue Gattung Sphaerotholus auf. Der alte Artname „edmontonensis“ musste allerdings aufgrund der Regeln zur Nomenklatur beibehalten werden.
gen. et sp. nov.
Wird ein ganz neuer Dinosaurier beschrieben, von dem weder Gattung und Art bislang bekannt waren, kriegt er einen komplett neuen Doppelnamen. Entsprechend wird er als genus et species nova gekennzeichnet, was auf Latein „neue Gattung und Art“ bedeutet. Dieses Kürzel wird dir also in fast allen Arbeiten zu neuen Dinosauriern begegnen.
indet.
Diese Abkürzung steht für indeterminatus, also lateinisch für „unbestimmt“. Diese Abkürzung wird vor bei Fossilfunden verwendet, die noch nicht einmal auf der Ebene der Gattung, sondern lediglich auf Ebene einer größeren Klade (wie z.B. der Ordnung, Familie oder Unterfamilie) klassifiziert werden können. Manchmal werden die Abkürzungen sp. und indet., aber auch gleichrangig verwendet.
Aus der Hell Creek Formation sind z.B. fragmentarische Fossilien eines großen Caenagnathiden bekannt, der bislang noch nicht näher beschrieben wurde. Er könnte gar die Ausmaße des berühmten Gigantoraptor aus der Mongolei erreicht haben. Damit wäre er deutlich größer als der aus diesem Lebensraum bekannte Anzu wyliei. Andersherum könnte das Fossil auch darauf hindeuten, dass der besagte Anzu deutlich größer geworden sein könnte als bislang angenommen.
cf.
Die Abkürzung „cf.“ steht für das lateinische Wort confer, was man hier am besten mit „vergleichend“ übersetzen könnte. Es wird gesetzt, wenn ein Fossil relativ sicher einer konkreten Art zugeordnet werden kann, allerdings dies bislang noch nicht in einer fachlichen Studie genau analysiert wurde. Wenn zum Beispiel „Tyrannosaurus cf. rex“ geschrieben wird, bedeutet dies schlicht, dass das in einem Fundbericht beschriebene Fossil Ähnlichkeiten mit der bekannten Art Tyrannosaurus rex aufweist, aber möglicherweise doch eine andere, nicht genau identifizierte Art sein könnte.
Bei allen Fossilien, die in meinen Fossilberichten mit „sp.“, „spp.“, „indet.“ oder cf. gekennzeichnet sind, handelt es sich also um Fossilien, die noch genauer wissenschaftlich untersucht werden müssen. Da aber auch unklare Fälle in den Fossilienbericht Eingang finden, und ich sie auch bei meiner Recherche berücksichtigt habe, kannst du diese vielen noch offenen Rätsel der Paläontologie hier ebenfalls finden!
aff.
Das lateinische Wort affinis bedeutet soviel wie „verwandt mit“. Es wird verwendet, wenn ein neubeschriebenes Exemplar einer bereits bekannten Art sehr stark ähnelt, aber trotzdem noch genug Unterschiede bestehen, um zu vermuten, dass es sich doch um eine neue Art handeln könnte. Dieses Kürzel wird bei der Entdeckung eines mehr oder weniger vollständigen Skeletts aber eher selten verwendet. Hier könnte man es sich nämlich durchaus erlauben, direkt eine eigene Art zu benennen. Und diese Ehre lässt sich natürlich kaum ein Paläontologe einfach entgehen!
Es kann aber durchaus passieren, dass ein einzelner Knochen oder sehr schlecht erhaltenes Material so gekennzeichnet wird. Denn ist das Material natürlich zu spärlich, wäre es leichtfertig, ihm gleich einen eigenen Namen zu geben. Die Unterschiede können sich schließlich auch durch Krankheiten oder Missbildungen, oder auch bei der Fossilisation (Taphonomie) ergeben haben. Die Forscher sehen dann meistens aus der Befürchtung davon ab, dass ihr neuvergebener Name beim Auftauchen neuen Materials dann sofort als ungültig gestrichen wird. Hier ist die Kennzeichnung mit aff. also eine willkommene Alternative.
Ka
Diese Abkürzung kann einem auch großgeschrieben, also als KA begegnen. Ein großes K steht bei vielen Einheiten immer für das griechische Wort Kilo, was 1.000 Bedeutet. Das a (A) hingegen steht für das lateinische Wort annum. Ein Kilo-Annum ist also die Zeitspanne von 1.000 Jahren. Diese Abkürzungen begegnet dir in einer wissenschaftlichen Arbeit also vor allem dann, wenn es konkret um Altersbestimmungen geht. Ein Mammutstoßzahn, der mit 17.5 Ka datiert wird, ist also 17.500 Jahre alt. Schreibt sich einfach kürzer!
Ma
Gleiches natürlich auch bei Mega-Annum. Du kennst die Einheit M „Mega“ wahrscheinlich bisher vor allem aus der Informatik, wo sie dir regelmäßig zur Angabe von Speicherkapazitäten (Megabyte) begegnet. Ein Megabyte sind 1.000.000 Byte, oder 1.000 Kilobyte. Und bei Mega-Annum ist es genau das gleiche. Du hast es sicher schon erraten: diese Einheit steht ganz einfach für 1.000.000 Jahre. Wenn ein Dinoknochen also mit 66.8 Ma datiert wird, stammt er aus der späten Kreidezeit und ist 66.800.000 Jahre alt.
BP
Ebenfalls eine wichtige Abkürzung zur Zeitbestimmung wird aus dem Englischen abgeleitet: Before present. Dieses Kürzel wird angehängt, wenn man in der Zeit zurückblickt. Das Mammut, dessen Knochen 17.5 Ka alt waren, ist also 17.500 BP gestorben. Referenzpunkt ist die moderne Gegenwart, also heute. Allerdings meint „heute“ nicht den Tag mit dem aktuellen Datum. Referenzpunkt für den Tag und das Jahr „Null“ ist der 01. Januar 1950, also das Jahr, in dem man zum ersten Mal diese Zeiteinheit einführte. Dies spielt für die Datierung von vielen Tausend oder gar Millionen von Jahren alten Lebewesen kaum eine Rolle.
MYA und myr
Während BP vor allem für Zeitangaben verwendet wird, die nur wenige Jahrtausende zurückliegen, verwenden Paläontologen eher die Einheit million years ago, was auf englisch „Millionen Jahre vor heute“ bedeutet. Gleichwertig ist auch die Angabe myr (megayear), die dir ebenfalls in einigen Arbeiten begegnen kann. Der Vorteil: Hier können die Forscher entsprechend viele Nullen getrost weglassen, wenn man sich über geologische Zeiträume unterhält. Zwei Sätze, in denen diese Abkürzungen korrekt verwendet werden, wären: „Die Kreidezeit begann vor 145 Ma und endete vor 66 Ma. Damit dauerte sie insgesamt 79 myr.“ Da wir in so gewaltigen Zeiträumen weder auf das exakte Jahres- und Tagesdatum genau datieren können (und es auch nicht müssen!), gibt es bei MYA und myr aber keinen genau definierten Referenzpunkt.
Begriffserklärungen
In jeder Wissenschaft begegnen einem Fachworte, die man als Laie oft nicht sofort versteht. Wenn du Latein und Griechisch in der Schule hattest, kannst du die paläontologischen Fachbegriffe vielleicht übersetzen und dir die Bedeutung erschließen. Aber für die meisten von uns Laien gilt wohl, dass sie keinen Schimmer haben, wenn ihnen zum ersten Mal solche Zungenbrecher begegnen. Hier wollen wir diesen Mangel nun einmal abstellen! |
Nomen nudum
Steht ein Name in Anführungszeichen, kann es sich um ein sogenanntes „nomen nudum“ handeln, also einen „nackten Namen“. So werden vergebene Art- und Gattungsnamen bezeichnet, die allerdings nicht die Anforderungen des ICZN (International Code of Zoological Nomenclature) erfüllen. Sie wurden vielleicht in einer Fachpublikation verwendet, ohne dass allerdings eine gültige formale Beschreibung des Fossils vorgenommen wurde. Vielleicht sind sie aber bislang auch nur in der Populärkultur verwendet worden.
Der Name „Orcomimus“ etwa ist momentan für eine mögliche weitere Ornithomimiden-Art aus Hell Creek reserviert, für die eine formale Beschreibung allerdings noch aussteht. Gleiches auch beim Wasservogel „Styginetta“ lofgreni. Als nomina nuda (so lautet hier der korrekte Plural!) sind diese Namen somit formell noch nicht gültig.
Wenn nur der erste Name in Anführungszeichen steht, liegt oft ein anderer Fall vor. Dann wurde ein Fossil zuvor formell als Mitglied einer bestimmten Gattung klassifiziert, doch diese Zuweisung wird heute mehrheitlich angezweifelt. So ist das Zahntaxon „Megalosaurus“ cloacinus mit Sicherheit kein Megalosaurus, sondern einfach eine andere nicht näher bestimmbare Theropodengattung. Auch „Megalosaurus“ ist nämlich ein Wastebasket-Taxon.
Nomen dubium
Diese lateinische Phrase bedeutet „zweifelhafter Name“. Als Nomen dubium gilt, wenn die wissenschaftliche Gemeinschaft Zweifel an der Gültigkeit eines Taxons oder der Klarheit eines bestimmten Namens hat. Dies kann auf Unsicherheiten in der Identifikation, unzureichende oder widersprüchliche Beschreibungen oder andere Gründe zurückzuführen sein. Ein Nomen dubium weist darauf hin, dass der Name möglicherweise nicht genau oder eindeutig genug ist, um als gültiger wissenschaftlicher Name anerkannt zu werden. In der Literatur werden Nomina dubia meist mit einem Fragezeichen versehen, wie z.B. bei „Nanotyrannus lancensis?„.
Bei meinen Recherchen ergaben sich bei einigen Taxa für mich teilweise große Zweifel, ob manche Dinosaurier als eigene Art wirklich Gültigkeit haben, sprich: ob es sie wirklich gab. Diese Arten, die zwar formell beschrieben wurden und von manchen Wissenschaftlern immer noch gelegentlich verteidigt, aber auch von den meisten Forschern doch eher angezweifelt werden, kommen in meinem Roman Die Weißen Steine nicht vor. Ich nenne in den Fossilberichten hier auf der Website die in Frage stehenden Gattungen und Arten aber natürlich trotzdem, packe sie aber in die Kategorie „umstritten“.
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